Inklusion muss in die Köpfe der Menschen

Vom Wunsch zur Wirklichkeit – Inklusion muss in die Köpfe der Menschen

„Mich nach meinem kritischen Vortrag, den ich auf dem Werkstättentag im November letzten Jahres in Bielefeld gehalten habe, einzuladen, zeugt von Mut und Bereitschaft zur offenen Debatte. Daher bin ich gerne gekommen“, so antwortete der SPD-Landtagsabgeordnete Josef Neumann auf die Frage der Moderatorin Christine Förster, was ihn trotz vollen Terminkalenders dazu bewogen hätte, die Einladung des Kaufmännischen Vorstandes der Stiftung Udo Zippel anzunehmen. Kurz zuvor hatte der Vorstandssprecher Pastor Dr. Bartolt Haase bei der internen Veranstaltung, zu der nur Mitarbeitende der Stiftung am Freitag letzter Woche geladen waren, den Jahresbericht 2014/2015 vorgestellt, der erstmals einen Teil in leichter Sprache enthält.

Der engagierte Sozialpolitiker Neumann  ist ausgebildeter Heilerziehungspfleger und war lange als Geschäftsführer der Lebenshilfe-Werkstatt in Solingen und in weiteren Integrationsunternehmen tätig. Er kennt die Arbeit mit Menschen mit Behinderungen und weiß wovon er spricht, wenn er darauf hinweist, dass sich Deutschland von den 47 Staaten Europas – und dazu gehören auch Länder wie Albanien und Weißrussland - lediglich im Mittelfeld befindet, was die zur Verfügung gestellten Leistungen für Menschen mit Behinderungen betrifft. Der Vorstand und Mitglieder der Mitarbeitervertretung hatten eine Reihe von Fragen zusammengestellt, für die sie sich von dem Experten und langjährigem Gewerkschaftsmitglied konkrete Antworten erhofften – und sie wurden nicht enttäuscht. Die Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sei in vielen Bereichen der Gesellschaft mangelhaft, wie eine kürzlich vorgelegte Dokumentation gezeigt habe, so Neumann. Häufig hätten Entscheider noch das Denken von vor vierzig Jahren in den Köpfen. Neumann schilderte das an einem Beispiel: Eine Gruppe von Architekten, mit denen er neulich ein Fachgespräch geführt habe, wusste nicht, was es mit Barrierefreiheit auf sich hat. Inklusion könne nur dann wirklich funktionieren, wenn sich die Barrieren in den Köpfen auflösen. Auf die Frage, wie er die Zukunft von Komplexeinrichtungen wie Eben-Ezer sehe, antwortete Neumann, dass es sehr wichtig sei, das umfangreiche Know-How der Stiftung auf andere Ebenen zu überführen. „Nicht nur die Einrichtungen müssen sich ändern, auch die Gesellschaft muss es“, ist Neumann überzeugt. Zum Beispiel werde eine sukzessive, flächendeckende Umsetzung der Barrierefreiheit zu Marktveränderungen führen. Eine soziale Wende sei nicht mehr aufzuhalten. Nicht nur die Wohnangebote für Menschen mit Behinderungen auch die Werkstätten werden sich seiner Meinung nach ändern. In 25 Jahren gehe ein Beschäftigter vielleicht nicht mehr in die Werkstatt eeWerk sondern in die Firma Müller oder Meier, die ausgelagerte Arbeitsplätze biete. Einrichtungen wie Eben-Ezer müssten sich frühzeitig positionieren, sich den Herausforderungen stellen. „Ihre Vorteile: Sie befinden sich mitten in Deutschland, sind fest verwurzelt in der Region und haben einen hohen Marktanteil. Nutzen Sie Inklusion als Marktlücke und verlieren Sie Europa nicht aus dem Blick!“, rät er den Verantwortlichen der Stiftung. Für das Bundesteilhabegesetz, an dessen Erarbeitung er beteiligt ist, hofft er, dass das Ergebnis auch diesen Namen verdient. Mit dem Gesetz soll die Eingliederungshilfe reformiert und die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen weiter verbessert werden.

Nach knapp zwei Stunden war die Diskussion, an der sich die Mitarbeitenden sehr lebhaft beteiligt hatten, beendet. Josef Neumann erhielt als Dank einen bunten Lippe-Präsentkarton  mit Spezialitäten aus der Region, der in der Werkstatt der Stiftung zusammengestellt wird. Mit dem Zug ging es zurück nach Solingen.

Foto, von links: Josef Neumann, Udo Zippel, Kaufmännischer Vorstand, Friedel Düe und Thorsten Jacke von der Mitarbeitervertretung.

 

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