Reihe "Nah am Menschen" wird fortgesetzt

Liebeserklärung an die Arbeit

Professor Dr. Jürgen Deller, Wirtschaftspsychologe und seit 2000 an der Leuphana Universität Lüneburg Professor für Differenzielle Psychologie, Eignungsdiagnostik und Organisationspsychologie, war auf Einladung des Vereins „…an die Arbeit e.V.“, der sich der unbürokratischen Hilfe für junge Menschen auf dem Weg ins Erwerbsleben verschrieben hat, und der Stiftung Eben-Ezer nach Lemgo gekommen. In der dritten Veranstaltung der Reihe „Nah am Menschen – Job mit Sinn“, die unter der Schirmherrschaft von Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, Karl-Josef Laumann MdL, steht, hielt er einen Vortrag zum Thema „Selbstverwirklichung im Beruf“.

Rund vierzig Personen waren der Einladung gefolgt und versammelten sich im Kirchlichen Zentrum. In seiner Begrüßung würdigte der Geschäftsführer von Eben-Ezer Falko Heise den zwei Tage zuvor verstorbenen 1. Vorsitzenden des Vereins „…an die Arbeit e.V.“ Walter Kern, der auch viele Jahre 1. Vorsitzender des Fördervereins „Wir für Eben-Ezer e.V.“ war. „Es war sein ausdrücklicher Wunsch, dass diese Veranstaltung heute stattfindet“, so Falko Heise. Mit einer Schweigeminute wurde seiner gedacht. Auch einige Vertreterinnen und Vertreter des Vereins „…an die Arbeit e.V.“ gedachten ihres Vorsitzenden und guten Freundes Walter Kern.

Nach der Vorstellung durch Geschäftsführerin Maike Krüger, die seinen Werdegang beschrieb, begann Dr. Jürgen Deller seinen Vortrag, den er als eine Liebeserklärung bezeichnete. „Arbeit ist mehr als ein Mittel zum Broterwerb. Sie ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Menschseins. Arbeit strukturiert das Leben, sie verbindet uns mit anderen, sie gibt uns die Möglichkeit, Fähigkeiten einzusetzen und etwas zu bewirken. Man könnte sagen: Arbeit ist eine Liebeserklärung an das Leben selbst.“

Gesichter der Arbeit

Arbeit als Quelle von Struktur und Orientierung. Arbeit gibt dem Tag Struktur: Aufstehen, Aufgaben erledigen, Pausen einlegen, Feierabend machen. Struktur gibt Sicherheit.

Arbeit stärkt Identität und Selbstwert. Menschen definieren sich über ihre Tätigkeit: „Ich bin Lehrerin, „Ich bin Handwerker“, „Ich bin Pflegekraft“. Arbeit vermittelt Würde und Ankerkennung. Für junge Erwachsene, die am Beginn ihres Berufslebens stehen, ist diese Identitätsbildung besonders entscheidend.

Arbeit ist Zusammenarbeit mit anderen, aber Arbeit ist mehr als Kollegialität. Sie ist ein soziales Band, das Menschen miteinander verbindet. Es entsteht eine Umgebung, in der Ideen ausgetauscht, Probleme gelöst und Innovationen gefördert werden können.

Arbeit gibt Sinn und ist eine Quelle der persönlichen Erfüllung. Arbeit kann nicht nur finanziell absichern, sondern auch emotional und psychologisch bereichern.

Folgen der Arbeitslosigkeit

Schon zu Beginn seines Vortrages hatte Dr. Jürgen Deller die berühmte Studie „Die Arbeitslosen von Marienthal“ aus dem Jahr 1933 zitiert. In dem kleinen österreichischen Dorf Marienthal hatte die Schließung der örtlichen Textilfabrik dazu geführt, dass nahezu die gesamte Bevölkerung arbeitslos wurde. Die Forscher erwarteten, dass es zu sozialen Unruhen kommen würde. Doch sie fanden das genaue Gegenteil. Nicht Aufruhr war die Konsequenz der Arbeitslosigkeit, sondern eine Erosion des Selbstwertgefühls, Vereinsamung, Resignation und Apathie. Diese Erkenntnisse, so Dr. Jürgen Deller, seien bis heute gültig und zwar für Menschen aller Altersklassen. Auch Menschen, die in Rente gehen. Hier kann es zu Anpassungsstörungen kommen. Vieles bricht von einem Tag auf den anderen weg. Eine gute Vorbereitung auf die Ruhezeit sei sehr wichtig! „Wir tun so viel, um junge Menschen auf den Arbeitsmarkt zu bringen, und wir tun nichts dafür, älteren Menschen in den Ruhestand zu helfen. Dazu gibt es weltweit kaum Forschung“, stellt der Experte fest. Wir müssten Arbeit neu denken.

Arbeit der Zukunft

Ein zentrales Thema in der modernen Arbeitswelt sei die Balance von Arbeit und Leben. Es sei essentiell, dass wir lernen, klare Grenzen zu setzen, um sowohl beruflich als auch privat gesund und zufrieden zu bleiben. Die Bedeutung von Erholungsphasen und der aktiven Trennung von Arbeit und Freizeit sei entscheidend, um langfristig leistungsfähig und glücklich zu bleiben. Die Geschäftsführerin Maike Krüger dankt im Anschluss für den wertvollen Impuls, den Herr Deller mit seinem Vortrag gegeben hat und moderierte die lebendige Fragerunde, die sich im Anschluss ergab.

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