Digitales Gedenkbuch zum Thema Euthanasie

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Digitales Gedenkbuch Euthanasie

Dieses digitale Gedenkbuch ist eine Veröffentlichung der Stiftung Eben-Ezer. In dem Buch sind die Biografien von  ehemaligen Bewohnerinnen und Bewohnern aus Eben-Ezer zu finden. Diese Personen wurden am 8. April 1937 zusammen mit 27 weiteren Bewohnern und Bewohnerinnen aus Eben-Ezer abgeholt und in die Provinzial-Heilanstalt Warstein verlegt. Von da aus kamen sie in sogenannte „Zwischenanstalten“, wo sie verwahrt wurden, bis sie in eine der sechs „Tötungsanstalten“, z. B. die Anstalt Hadamar in Hessen, gebracht und dort ermordet wurden.

Sie wurden entweder durch den Einsatz von Kohlenmonoxyd erstickt oder durch bestimmte Medikamente und die Reduktion von Nahrungsmitteln indirekt zu Tode gebracht. So wollten die Nationalsozialisten „lebensunwertes Leben“ vernichten, denn so bezeichneten sie psychisch kranke und behinderte Menschen. Die Menschen starben den „Gnadentod“, auch Euthanasie genannt.

Etliche dieser Personen sind auf einer Gedenktafel in der Treise Kapelle in Warstein namentlich erwähnt. Auf dieser Gedenktafel ist jeder Name doppelt vorhanden, einmal auf einer kleinen abnehmbaren Tafel und einmal auf der dahinterliegenden Stahlfläche an der Wand der Kapelle. Für die Personen aus Eben-Ezer übernimmt die Stiftung nun die Patenschaft. Das bedeutet, dass die kleinen Tafeln mit den Namen der Opfer in Warstein abgenommen und nach Lemgo gebracht werden. So sollen auch die ermordeten Menschen symbolisch nach Lemgo zurückgeholt werden. Die Tafeln sollen im Kirchlichen Zentrum in Neu Eben-Ezer untergebracht werden. In Alt Eben-Ezer wird eine Stele mit den Namen aufgestellt, um so an die Menschen und weitere Opfer zu erinnern.

Die Erstellung der Gedenkstele ist eingebettet in eine umfassende wissenschaftliche Aufarbeitung der Geschichte der Stiftung. Die Biografien von ehemaligen Bewohnerinnen und Bewohnern sind in diesem Gedenkbuch festgehalten. Sie wurden anhand von Bewohner- und Krankenakten aus den verschiedenen Einrichtungen erstellt. Auch Aufnahme- und Entlassbücher aus Eben-Ezer und Informationen aus den Archiven des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe in Münster und des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen in Kassel haben zur Erstellung der Biografien beigetragen. Zu 17 Namen konnten außerdem Fotografien in den Bewohnerakten gefunden werden.

zu den Biographien zum Hintergrund

Die Gedenkstele an der Kapelle Alt-Eben-Ezer. (© mues-schrewe.de | Fotos: R. Pasitka)

Über die künstlerische Formfindung zum Mahnmal

Die Form

Die äußere Form des Mahnmals erinnert an eine Scherbe, einen Splitter oder Stachel. Nicht im Lot, sondern geneigt steht es im Boden; nicht rund und gefällig, sondern mit Ecken und Kanten; nicht sorgfältig ausgerichtet, sondern wie zufällig hingeworfen. So erinnert dieses Zeichen an die Menschen, die ihrer Zukunft beraubt wurden: Sie wurden getötet, weil sie nicht normgerecht waren, weil sie aus dem Rahmen fielen, weil man sie für unvollkommen und fehlerhaft hielt.

Das Material

Das Mahnmal ist aus Stahl gefertigt. Er steht für die gnadenlose Härte, die diesen Menschen widerfahren ist. Er verweist auch auf die Eisenbahnschienen, über die die Deportationen von Warstein aus erfolgten. Gleichzeitig rostet der Stahl. Seine Oberfläche strahlt und glänzt nicht, sondern sie ist gebrochen wie die Biografien der Menschen, derer wir heute gedenken.

Die Schrift

Die genormte Schrift stellt einen optischen Bezug zur schablonierten Beschriftung der Eisenbahnwaggons her, mit denen die Menschen von Warstein aus in den Tod geschickt wurden. Die Namen wurden durch einen Laser aus dem Stahl herausgebrannt, auch dies soll als Sinnbild für Feuer, Auslöschung und Zerstörung verstanden werden. Einige von Ihnen haben vielleicht noch die von höchster Todesangst erfüllten Worte eines Bewohners im Ohr, die bei der Fachtagung am vergangenen Freitag zitiert wurden: „Die wollen uns kaputtmachen!“.

Richtet man die Augen nach oben, gegen den Himmel, dann kann man die Namen lesen. Für die Christen ist der Himmel ein Sinnbild für das ewige Leben bei Gott – und ein Zeichen dafür, dass es den Nationalsozialisten eben nicht gelungen ist, die Namen auszulöschen. Im Gegenteil, sie sind auf ewig in den Himmel geschrieben!

Gestaltung und Beschreibung des Denkmals:
Robert Pasitka | Bernd Schrewe | www.mues-schrewe.de | 2017

Aufbereitung der Biografien

Die Biografien sollen die Personen möglichst genau und individuell charakterisieren. Deshalb wurden auch Hintergrundinformationen über die Familien berücksichtigt. So wird auch deutlich, dass Geschwister mitunter ebenfalls von den Tötungen betroffen waren. Wörtliche Stellungnahmen des Pflegepersonals, des Sonderpädagogen Herbert Müller und des Anstaltsarztes Dr. Max Fiebig wurden ebenfalls hinzugefügt. Diese sind kursiv gedruckt.

Manche Biografien enthalten auch Hinweise auf Briefwechsel zwischen den Einrichtungen und den Familien. Diese wurden offenbar über viele Entscheidungen nicht informiert bzw. getäuscht.

Mit der Veröffentlichung des Gedenkbuches stellt sich der Vorstand von Eben-Ezer seiner historischen und christlichen Verantwortung gegenüber den ermordeten Personen. Sie waren damals Anstaltsleitern anvertraut worden, die die Maßnahmen der NS-Regierung nicht nur hinnahmen, sondern diese auch gebilligt und gelegentlich unterstützt haben. Mit Gedenkstele und –buch soll an die ermordeten Menschen erinnert werden, nicht nur an die namentlich genannten, sondern auch an eventuell durch spätere Forschungen identifizierte Opfer.

Frank Konersmann/Stefanie Theil
Lemgo, 17. November 2017

Gedenktafel des Mahnmals für die Opfer der NS-Euthanasie in der Treisekapelle der LWL-Klinik Warstein

Das Projekt der Klinik Warstein des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe wurde von der Mues + Schrewe GmbH realisiert und von Robert Pasitka, Bernd Schrewe und Helmut S. Ullrich entwickelt. Die Gedenktafel ist 350 x 100 cm groß und mit Hilfe von lasergeschnittenem Stahl und LED-Beleuchtung konstruiert.

Interessenten wird im Rahmen einer Patenschaft eine kleine Namenstafel, mit dem Namen eines der Euthanasie-Opfers, als Dauerleihgabe anvertraut. Durch das Abnehmen der Namenstafel leuchtet an der Gedenktafel der Name auf. Der Pate setzt ein Zeichen des aktiven, persönlichen Gedenkens.